
Das Sommerprojekt von Likrat Public ist in vollem Gange – ein Blick nach Davos und ins Saastal

Jedes Jahr verbringen zahlreiche jüdische Familien ihre Ferien in Davos und im Saastal. Damit es zu keinen Missverständnissen und Konflikten kommt, vermitteln Likratinas und Likratinos vor Ort zwischen Gästen und Einheimischen.
Bereits zum siebten Mal findet dieses Jahr das Sommerprojekt von Likrat Public, dem Dialog- und Aufklärungsprojekt des SIG, statt. Jedes Jahr in den drei Wochen nach Tischa Be’Aw reisen zahlreiche jüdische Gäste vor allem aus Israel, Grossbritannien, Belgien und den USA in die Schweizer Berge. An den beiden Hauptstandorten Davos und dem Saastal sind in dieser Zeit Vermittlerinnen und Vermittler von Likrat Public, sogenannte Likratinas und Likratinos, im Einsatz. Sie sorgen für gegenseitiges Verständnis zwischen den meist strenger religiösen Touristen, der einheimischen Bevölkerung und den Tourismusbetrieben.

Die Gäste nutzen das vielseitige Angebot rund um Davos
In Davos sind diesen Sommer jede Woche zehn Vermittlerinnen und Vermittler im Einsatz. Likratina Tamar fährt an diesem Tag zuerst auf das Rinerhorn. Schon vor dem Mittag sind hier verschiedene jüdische Familien anzutreffen, die das Panorama geniessen und der Hitze im Tal entfliehen. Ein älteres Ehepaar aus Zürich sitzt auf der Terrasse und freut sich über den kurzen Schwatz mit Tamar. Sie haben schon von Likrat Public gehört und bedanken sich für die wichtige Arbeit, die das Likrat-Team in Davos leistet.
Weiter geht es zum Davoser See, um mit dem Betreiber des dortigen Restaurants zu sprechen. Dieser hat nur Positives zu berichten: Der Umgang mit den jüdischen Gästen sei angenehm, sagt er, auch wenn nur wenige bei ihm einkehrten. Aber er habe Verständnis dafür, da er wisse, dass dies aufgrund der koscheren Speisevorschriften nur eingeschränkt möglich sei.
Kein Problem mit Tzitzit und knielangen Röcken im Kletterpark
Am Nachmittag besucht Tamar den Seilpark. Auch dieser ist ein beliebtes Ausflugsziel, vor allem für Familien. Kleinere und grössere Kinder lassen sich von der Leiterin des Seilparks die Handhabung der Kletterausrüstung und die wichtigsten Sicherheitsregeln erklären. Es laufe sehr gut mit den jüdischen Besucherinnen und Besuchern, sagt sie. In Eigeninitiative haben die Betreiber des Seilparks ein Poster in Hebräisch mit den wichtigsten Regeln übersetzen lassen und die Leiterin hat selber auch ein paar Brocken Hebräisch gelernt. Die Kinder können sich hier so richtig austoben. Gut angeseilt, in knielangen Röcken und Tzitzit, hangeln sie sich von Baum zu Baum oder turnen auf den Geräten des Spielplatzes.

Die anwesenden Familien geniessen ihre Ferien sichtlich. Tamar kommt mit einer Grossfamilie aus der Schweiz ins Gespräch. Sie kommen schon seit Jahren nach Davos, früher mit den Eltern und Grosseltern, heute mit ihren Ehepartnern und eigenen Kindern. Es sei einfach schön hier, schwärmt eine der Frauen, und sie fänden hier alles, was sie brauchten. Das Freizeitangebot sei so vielseitig, dass jedes Familienmitglied auf seine Kosten komme. Vor allem aber verbringe man viel Zeit mit der Familie, die auf der halben Welt verteilt lebe und sich hier jeden Sommer treffe.
Technische Hilfe für Reisende ohne Smartphone
Zurück im Ort schaut Tamar am Bahnhof Davos Dorf vorbei. Eine junge Familie mit Kinderwagen steht etwas hilflos vor einer digitalen Anzeigetafel der Rhätischen Bahn und studiert einen ausgedruckten Fahrplan. Darauf angesprochen, ob sie Hilfe benötigten, fragen sie nach dem nächsten Zug nach St. Moritz. Da viele der stenger religiösen jüdischen Gäste über kein Smartphone verfügen, können sie selbst nicht in der SBB-App nachschauen. In einem Gemisch aus Jiddisch, Englisch und Hebräisch wird die nächste Verbindung ermittelt und schon kurz später fährt der Zug auch schon ein.

Am Ende des Tages kehrt Tamar zum Hub zurück, der zentralen Anlaufstelle von Likrat Public, der sich direkt neben der Touristeninformation befindet. Hier erhalten nicht nur jüdische Gäste allerlei Informationen, auch andere Touristen halten an und kommen mit den Likratinas und Likratinos ins Gespräch. Viele haben Fragen zu jüdischen Traditionen, zur religiösen Kleiderordnung und den Gründen, warum Davos bei jüdischen Reisenden so beliebt ist.
Im Walliser Saastal ist genauso Ferienstimmung
Szenenwechsel: Auch das Saastal, der zweite Hauptstandort des Projekts, ist sehr beliebt bei jüdischen Gästen. Die Stimmung im Tal ist entspannt. Hier sind viele Familien aus England und Belgien zu Gast. Likratino Beni kommt auf dem Kreuzboden mit einer Familie aus England ins Gespräch. Die Familie – Mutter, Vater und fünf Kinder – ist bereits seit zwei Wochen in Saas-Grund in den Ferien. Die weiteren neun Kinder der Familie sind bereits verheiratet und deshalb nicht mit in die Schweiz gereist. Es komme schon vor, dass ihnen aus vorbeifahrenden Autos etwas zugerufen werde. Aber das sei bei ihnen zu Hause nicht anders, erzählt der älteste Sohn, und deshalb nähmen sie es gelassen. Alles in allem sei es in der Schweiz viel entspannter und sie sind hier, um ihre Ferien zu geniessen.

Bild: pomona.media/Boris Ackermann Fotografie
Besonders schön findet die Familie den kleinen See bei der Bergstation. Hier spielen die Kinder zusammen mit anderen Kindern, jüdischen und nichtjüdischen, auf dem Floss, mit dem sie sich an einem Seil quer über den See ziehen können. Der Vater hat es sich unterdessen im Gras gemütlich gemacht und liest dort in Ruhe, während die Mutter ein wachsames Auge auf die Kinderschar hält.
Positive Rückmeldungen und Verbesserungsvorschläge fliessen in die Endauswertung
Im Herbst 2023 wurde für das Sommerprojekt eine Task Force unter der Leitung der Firma Ambühl Meier eingesetzt. Diese definierte für die Saison 2024 einen Massnahmenkatalog. Die Erfahrungen daraus haben im aktuellen Jahr zu ersten Anpassungen geführt und auch die Feedbacks aus diesem Jahr werden gesammelt und ausgewertet.
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