Fragen ohne jedes Tabu – Likrat Public zu Besuch im Hotel Ascot in Zürich
Warum lassen orthodoxe Juden am Samstag die Zimmertüren offen? Ist der Schabbat nicht anstrengend? Die Angestellten des Hotel Ascot bekamen endlich die Chance, alle Fragen zu ihren jüdischen Gästen zu stellen, die ihnen auf der Zunge brannten.
Das FIFA Hotel Ascot liegt direkt neben der Israelitischen Cultusgemeinde ICZ in Zürich und ist beliebt bei jüdischen Gästen – wegen dessen zentralen Lage, aber auch wegen der Nähe zur ICZ. Die Gemeinde befindet sich in Laufdistanz, während des Schabbats ideal. Zudem bietet das Hotel auf Wunsch auch ein koscheres Frühstück an.
Von den Speiseregeln
Likratina Liora erklärt den Köchen, Rezeptionistinnen und Kellnerinnen des Hotels die jüdischen Speiseregeln und reicht koschere Gummibärchen. Die Runde ist sich einig: Es gibt keinen geschmacklichen Unterschied. Die Hotelangestellten sind sich den Umgang mit observanten jüdischen Gästen gewohnt. Und sie sind ganz offensichtlich interessiert daran, mehr über jüdische Traditionen zu erfahren: 15 Mitarbeitende sind bei der Begegnung dabei und hören Jonathan und Liora von Likrat Public konzentriert zu.
Alle Fragen sind erlaubt
«Warum geben manche religiösen Männer Frauen nicht die Hand?». Liora erklärt, dass dies aus Respekt gegenüber der eigenen Ehepartnerin geschehe: Sie vermeiden den körperlichen Kontakt zum anderen Geschlecht. Jonathan und Liora verstehen sich gut darauf, das Eis zu brechen, Verbote und Tabus gibt es während der Begegnung keine, die beiden werden mit Fragen gelöchert. Insbesondere das Verhalten einiger Jüdinnen und Juden während des Schabbats irritiert: «Warum bleiben unsere jüdischen Gäste am Samstag winkend vor der automatischen Schiebetüre stehen und warten, bis ihnen jemand die Türe aufmacht?» oder «Warum fragen jüdische Gäste am Samstag nach einem normalen Schlüssel, obwohl wir doch moderne elektronische Schlüssel im Kreditkartenformat haben?».
Schabbat: Der Tag der Einschränkung?
Die Ausführungen zum Thema Schabbat überraschen eine der Teilnehmerinnen: «Was macht ihr denn den ganzen Samstag, wenn alles verboten ist?», fragt sie. Jonathan erklärt, dass er den Schabbat überhaupt nicht als Einschränkung empfinde, sondern als Befreiung: «Am Schabbat konzentriert man sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben: auf die Familie, die Freunde, das Gebet, das Essen. Ich geniesse den Schabbat sehr. Und es tut gut, einen Tag pro Woche das Handy wegzulegen und der Alltagshektik zu entfliehen.»
In der lockeren Atmosphäre erhalten die Hotelangestellten Antworten auf alle Fragen. «Heute habe ich Antworten auf Fragen gekriegt, die ich unseren jüdischen Gästen nicht stellen würde», sagt Frontoffice-Managerin Caroline nach dem knapp einstündigen Treffen, «deshalb war diese Begegnung wirklich sehr spannend.»